… oder auch: wie „heftig.co“ & Co. Journalismus und Werbewelt versauen.
Seit geraumer Zeit verstärkt sich in der deutschsprachigen Medien- und Marketinglandschaft der grauenhafte Trend, Themen und Inhalte nur noch reißerisch, pseudo-verschwörerisch, vermeintlich-geheimnisvoll und sensationstriefend anzuteasen. Die essentielle Information, die Kernaussage, die wichtige Zusammenfassung des Artikels – all das ist oft nicht mehr Bestandteil der Überschrift. Ernstzunehmende Journalisten und Werbetexter sollten das eigentlich mal ganz anders gelernt haben… Die Rede ist von Headline-Fragmente wie „Wenn du siehst, was er als nächstes tut, bleibt dir die Spucke weg“ oder auch „38 witzige Selfies, die in die Hose gegangen sind. Nr 35 ist einfach nur geschmacklos“. Kurzum: es wird in bester „Klick mich!!!!11“-Manier möglichst wenig verraten, es gibt ein möglichst fieses Vorschaubild und letztlich ist das Video oder die Bilderstrecke nur halb so sensationell wie es die Überschrift verspricht. Aber dann hat man eben schon geklickt; wenn man sich als armer, ahnungsloser Nutzer komplett in die Irre hat führen lassen, sogar bis Bild Nr. 35…
Leider bleibt diese Eigenart nicht nur Zeitvernichterseiten wie heftig.co und unzähligen Klonen auf Facebook vorbehalten. Derzeit, so scheint es, findet dieser „Stil“ auch in Redaktionen und Marketingabteilungen verstärkt Fürsprecher. So ködert uns zum Beispiel die Bewertungplattform yelp mit einem tollen Restaurant, das „Einheimische“ bewertet haben und das man eh nie erraten wird. Es sei denn man klickt. Das Ergebnis dahinter ist so beliebig wie austauschbar. Sehen wir einmal davon ab, dass dieser krude Werbetext einfach keinen Sinn ergibt…
Häufig zu finden sind auch die „10 ultimativen Tipps wie Sie reich und erfolgreich werden, in zwei Tagen ein Sixpack bekommen, Milliarden Page Impressions generieren und auch sonst die oberste Stufe kosmischer Glückseligkeit erreichen“. Gerade in der Marketing-Medien-Welt sind die totsicheren Tipps für mehr Erfolg mit Twitter oder Anleitungen für „Gefällt-mir“-Lawinen auf Facebook sehr beliebt und viel zu weit verbreitet. Die Tipps dahinter sind meist banal, belanglos und schwimmen gerade mal zweieinhalb Millimeter unter der Oberfläche. Aber diese Erkenntnis beschleicht einen erst dann, wenn man bereits geklickt hat.
Also, liebe Marketingmenschen, Werbetexter und Fachjournalisten: selbst wenn Ihr nicht für den Feuilleton einer großen, überregionalen Tageszeitung schreibt, lauft Ihr dennoch Gefahr, mit derart billigen Klick-mich-Tricks ein hohes Gut zu verspielen: Eure Reputation. Einen faden Beigeschmack gibt es eben nicht nur auf Restaurantbewertungsportalen; dieser stellt sich gerne auch nach Rezeption oberflächlicher Billig-Artikel und irreführenden Werbeanzeigen ein. Und nebenbei verleitet Ihr Millionen von Internetnutzern, irrelevante Links anzuschauen und sich durch sinnlose Bildergalerien zu klicken. Der volkswirtschaftliche Schaden dahinter ist nicht auszudenken und schlägt vermutlich noch den GDL-Streik um ein Vielfaches… #ironieoff