Nun hat es auch Zalando erwischt. Und natürlich ist es ein „Shitstorm“. Heutzutage ist irgendwie alles gleich „Shitstorm“. Ein prominenter Sportler isst in einem Werbespot Fleischwurst, woran sich Vegetarier und Veganer stören. Shitstorm. Ein Twitteraccount, der eigentlich für werbliche Informationen gedacht war, wird von Nutzern als digitaler Kummerkasten zweckentfremdet. Shitstorm! Menschen gehen wegen vermeintlich unerträglicher Arbeitsbedingungen im Online-Handel auf die virtuellen Barrikaden. Shitstorm!!
Die Metapher vom „Sturm aus Scheiße“ hat Einzug in modernes Marketingsprech gefunden und ist beliebte Schauer-Vokabel unter Kommunikationsfachleuten geworden. Kurios: während dieser Terminus technicus doch eigentlich durch die „Kommunikationskultur“ der digitalen Welt geprägt wurde, ist der Ursprung im aktuellen Fall des Online-Modehändlers komplett offline zu finden; nämlich an den Arbeitsplätzen im Versandzentrum von Zalando. Das ist gar nicht so lehrbuchartig, wie die W&V dieser Tage meint.
Früher hätte man mehr oder weniger still in sich hinein geschimpft, sich zu Demonstrationen verabredet oder vor Werkstoren campiert. Die Möglichkeiten, Protest zu äußern und Solidarität zu bekunden, sind heutzutage ungleich mannigfaltiger. Etwas ganz Grundsätzliches hat sich jedoch nicht geändert und wird es auch nicht. Die Kritik und das schlechte Image einer Marke existiert zunächst in den Köpfen der Menschen; unabhängig wie oft und lautstark diese Gedanken im Anschluss artikuliert und vervielfältigt werden.
Eine derartige Kommunikationskrise zu verhindern – ob nun Flächenbrand oder Strohfeuer – liegt oftmals gar nicht in der Hand von einzelnen Marketing- und PR-Menschen. Sie jedoch zu moderieren, dabei Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, vielleicht sogar ein Stück weit zu deeskalieren; das vermag auch ein einzelner Community Manager zu leisten. Nachholbedarf gibt es in dieser Hinsicht reichlich. Auch das zeigt das aktuelle Beispiel von Zalando sehr deutlich. Insofern erscheint es sogar nachvollziehbar, wenn sich immer noch viele Unternehmen scheuen, sich sozialen Netzwerken zu öffnen. Und dass, obwohl sie dort Ihre Zielgruppe finden und eigentlich spannende Themen zu erzählen haben. Es scheint, als dominierte die Angst, der Sturm könnte schon hinter der nächsten Ecke lauern. Hauptsache, die Medien nennen es „Shitstorm“ – das klingt so schön unanständig und bedrohlich.
Kritik von Konsumenten, Nutzern, Arbeitnehmern wird es schließlich (hoffentlich) immer geben (können) – ungeschickte Reaktionen von Unternehmen wie Zalando vermutlich ebenso. Produzenten, Händler und Dienstleister werden auch in Zukunft Ihre Hotline-Nummer veröffentlichen und Ihre Anschriften preisgeben; auch auf die Gefahr hin, dass wütende Menschen anrufen oder RTL die Konzernzentrale filmt. Soviel „Mut“ sollte auch für das Engagement in Sachen Social Media aufgebracht werden. Die – bisweilen eben auch kritische – Meinungsäußerung der eigenen Kunden allein darf kein Hinderungsgrund sein.
Gleichermaßen muss sich auch Social Media Kommunikation weiter professionalisieren.
Natürlich kann das Thema „Sklavando“ beim nächsten Sale schon wieder vergessen sein. Vielleicht hat das Unternehmen so viel „Glück“ wie Amazon, und der Aufreger ist schnell wieder vom Tisch. Eine Garantie gibt es dafür jedenfalls nicht. Und genau aus diesem Grund fangen sich Social Media Manager bisweilen
zu Recht eine ein, wenn derartige Beschwerden und Enthüllungen allzu lässig und lapidar abgetan werden. Nicht selten sind es erst die beschwichtigenden Worthülsen, leere Versprechungen, abwertende Reaktionen und – meist noch viel schlimmer – Ignoranz der Verursacher, die ein Krisenthema noch lange am Leben halten können. Wie so oft gilt auch dann der Grundsatz: das Internet vergisst nie. Was einmal raus ist, ist raus.